Blumen und Natur sind schön, darüber herrscht breite Zustimmung. Schrebergärten und Blumenkastenkultur etc. bezeugen diese Beziehung.
Als Archetyp oder Symbol des Lebens hatte die Blume aber immer auch schon Symbolcharakter in der Kunst - Blühen, Grünen und dann Verfall.
Margarete Schrüfer zeigt uns hier in strenger Anordnung Gräser, Blüten, Halme - keine erfundenen Gebilde sondern leichte, feine und zarte Naturstudien. Sie sind wie ein Mosaik verschiedenster Landschaftseindrücke, die in einer Art kontemplativer oder meditativer Auseinandersetzung mit der Natur, mit dem Sein in ihr, in Ruhesituationen entstanden sind. Der Beginn wurde vor etwa vier Jahren bei einem Portugal-Aufenthalt gemacht. Das Format wird seitdem beibehalten. Angetrieben und nicht-losgelassen von dem elementaren inneren Anspruch an sich selbst, künstlerisch tätig zu sein - Formen aufs Papier zu bringen - entstand ein Vielzahl einfacher Ausschnitte der Wirklichkeit.
Ausschnitte, die mit persönlicher Erinnerung angereichert sind und die jeden von uns ansprechen können. Wer kennt nicht den Geruch von Gras - saftig grün oder schon dürr und gelb, beginnenden Frühlings oder Herbstes, das Zerspalten von dürren Blütendolden, das Ablösen kleinster Blätter, den Staub, das Kauen auf Blättern und Stängeln, an Wind und an das Geräusch trockener Halme die sich in ihm bewegen.
Es sind gleichermaßen Ausschnitte eines größeren Ganzen.
Unterschiedliche, wunderbar vielgestaltige Gewebe von Halmen, Blättern und Blüten lassen auf dem weiten, weißen Blatt einen großen Atem walten. Kein Boden, viel Atmosphäre! Die sinnliche Präsenz der Zeichnung wird dadurch gesteigert. Flüchtig wahrgenommene Augenblick und gleichwohl ein scharfer Blick auf Besonderheiten und Details geben den Blättern Echtheit, eine leise Poesie und emotionales Berührtsein ohne dass man jedoch genau weiß woher diese nun genau kommt.
Vielleicht ist es gerade die Alltäglichkeit des in wenige Linien gefassten Naturgegenstandes, der nur einen Schritt von der Skizze weg durch seine Einfachheit besticht? Vielleicht ist es der Blick auf das Alltägliche, der unseren Blick, den des Betrachters, vor der realen Natur, im Nachhinein adelt?
Wenn die Künstlerin sagt, dass das Gras anarchisch sei, nie gleich, jede Bewegung des Windes sein Muster bzw. seine Anordnung ändert und damit jeder Moment ein ganz besonderer ist, lässt sich der Eindruck des Geschehenen verstärken.
In der Video-Installation, die der Ausstellung den Namen gab erfährt die Schönheit der Linie und die Anarchie des Grases einen gesteigerten visuellen Ausdruck. Die vier Bildschirme mit den bewegten Halmen bilden eine Einheit insofern die Bewegung nicht an den Bildschirmgrenzen halt macht, sondern über sie hinwegläuft. Wie in der realen Situation kann man sich darauf niederlassen, verweilen oder davor sitzen. Der Ton, eine dem Medium generell zugeordnete Sinnesebene, unterstreicht sachte das Spiel der Gräser im Wind und eint die vier Einzelszenen.
Spannend ist der Gegensatz zwischen dem Medium Film oder Animation und der Inszenierung von Margarete Schrüfer. Es geschieht ja an sich nichts außer der animierten, eigenartig irritierend zwischen Künstlichkeit und Natur schwankenden Bewegung der scherenschnittartigen Gras-Silhouetten. Gelassenheit und Ruhe sowie Faszination und leise Spannung kann sich vor dem Bildschirm einstellen.
Wie bei einer Grabenschau lässt sich ein Dahinter erahnen - hier wie in den gezeichneten Blättern gibt uns der Freiraum um das Dargestellt eine Bühne für eigene Stimmungen und Assoziationen.
Neben Zeichnung und Animation ist der Leuchtkasten ein Medium, in dem die Künstlerin ihrer Vorliebe für irritierende Momente nachgeht. Im Falle des sich hier in der Ausstellung befindlichen Leuchtkastenobjektes handelt es sich um eine Art Selbstportrait. Zu sehen ist die Künstlerin, die sich schminkt vor ihrem Spiegelbild, im Hintergrund Natur. Trotz des Wissens um die Möglichkeit der Nachbearbeitung vermittelt die Fotografie zunächst Realität. Dann tritt Verunsicherung ein, die Hand, die den Rougepinsel hält ist unscharf, der Pinsel selbst scharf. Eindeutige Zuordnungen werden außer Kraft gesetzt - Schärfe und Unschschärfe sind von der Künstlerin selbst in die Hand genommen worden. Sachte nutzt sie die Möglichkeiten der bestehenden Technik. Die Form des Leuchtkastens unterstreicht den Inhalt der ausgewählten Bilder: Wo ein Foto immer präsent ist, wird es im Leuchtkasten nur hin und wieder illuminiert - mal ist die Kunst da, dann ist sie wieder weg. Im Leuchtkasten besitzt das Foto zudem auch eine besondere Präsenz, die an Kino oder den realen Ausblick erinnert.
Mit ihrer Vorliebe für irritierende Momente, Spiegelungen, das Spiel von Scharf und Unscharf erscheinen mir besonders jene Fotoarbeiten verwandt mit altniederländischer Malerei, in welcher das Abbilden der Realität teilweise eine unwirkliche Schärfe einnimmt und in der ein besonderer Augenmerk auf der Wiedergabe von Glas, Spiegelungen und Himmel liegt.
Auszug aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung „Wiese“ im Kunstverein Bayreuth, Ulrike Rathjen, Kunsthistorikerin MA.