Schneekönigin

 

Drei wandfüllende Plakate mit der Fotografie einer Schneekönigin in wechselnden Posen umschließen raumgreifend eine Anhäufung stilisierter Eiskristalle - Splittern eines zerborstenen Spiegels - in der Mitte des Ausstellungsraumes.

Eine Titanin, Herrscherin ihrer sterilen Umwelt - die auf eine 2-dimensionale Fläche gebannt - nicht heraustreten kann, tanzt fallend um ihren zerborstenen Spiegel. Erst im Spiegel am Boden bricht ihre künstliche Schönheit auf und verstreut sich kaum sichtbar im Licht des Raumes.

Diese schemenhaften Facetten und bruchstückhaften Reflexionen verbinden sich für den Moment mit dem Blick des Betrachters in die Spiegelscherben. Schönes und Unschönes, Gutes und Böses heben sich in Gedanken auf, die Form verschwimmt und alles ist Betrachter und unnahbare Schneekönigin gleichzeitig.

Das romantische Kalkül der Installation zeigt sich offensichtlich in der Referenz an das Märchen "Schneekönigin" von H.C. Andersen (1805-1875), in der unseligen Macht zerbrochener Spiegel und schöner unnahbarer Königinnen.

Auf Bodenhöhe wird dieses Kalkül allerdings gebrochen, wenn die stilisierten Eiskristalle sich exponiert in ihrer Vergrößerung zeigen, reduziert in ihrer Form erscheinen und dennoch wissenschaftliche Korrektheit im Objekt mit immer anderer Struktur reflektieren.

Die kristallinen Vorlagen dieser reflektierenden Objekte sind dabei keine Phantasmen, sondern Abbilder ernsthaft wissenschaftlicher Forschung und Dokumentation durch den Schneeforscher Wilson A. Bentley (1865-1931). In dieser Weise verhilft der märchenhafte Umweg dem banalen Eiskristall zu intensiver Wahrnehmung und Anerkennung seiner naturgeschaffenen Schönheit, wohingegen die artifizielle Schneekönigin im Raum verblassen mag.

Nikolas Kretzschmar, M.A.